Veranstaltung: | Bundesdelegiertenversammlung 2024 |
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Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | BDV 2024 |
Beschlossen am: | 27.10.2024 |
Antragshistorie: | Version 3 |
Abschaffung der Einkommensanrechnung bei der Hinterbliebenenrente
Beschlusstext
Die Bundesdelegiertenversammlung möge beschließen:
Das System der Hinterbliebenenversorgung geht davon aus, dass Menschen erst im
hohen Alter verwitwen. Junge Verwitwete fallen jedoch oft durch das Raster: In
Deutschland sind rund 1,2 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter betroffen,
darunter etwa 85 % Frauen. Zwar dürfen Witwen arbeiten, jedoch ist dies für sie
häufig nicht wirtschaftlich.
Der Bundesvorstand wird beauftragt, eine öffentlichkeitswirksame politische
Kampagne durchzuführen, die darauf hinwirkt, die Einkommensanrechnung bei der
Hinterbliebenenrente abzuschaffen, damit sich aufgrund eigener Einkünfte des
überlebenden Ehepartners keine Kürzung der Hinterbliebenenrente ergibt.
Begründung
Begründung
Das System der Hinterbliebenenversorgung geht davon aus, dass Menschen erst im hohen Alter verwitwen. Junge Verwitwete fallen jedoch oft durch das Raster: In Deutschland sind rund 1,2 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter betroffen, darunter etwa 85 % Frauen. Zwar dürfen Witwen arbeiten, jedoch ist dies für sie häufig nicht wirtschaftlich. Das oft zitierte Bild der wohlhabenden Ärztinnenwitwe entspricht nicht der Realität, wird aber weiterhin häufig in Diskussionen aufgeworfen.
Aktuell wird die Hinterbliebenenrente des überlebenden Ehepartners gekürzt, wenn er oder sie mehr als einen „anrechnungsfreien Betrag“ (Freibetrag) verdient. Der Freibetrag für die Einkommensanrechnung ist mit dem aktuellen Rentenwert verknüpft. So ist zumindest sichergestellt, dass er mitsteigt, wenn die Renten erhöht werden. Er beträgt für alle Hinterbliebenenrentnerinnen und -rentner das 26,4-fache des aktuellen Rentenwertes (zurzeit 37,60 €). Die Anrechnungsgrenze beträgt folglich 992,64 €.
Übersteigt das Nettoeinkommen den Freibetrag von 992,64 €, werden 40 Prozent des übersteigenden Betrages von der Hinterbliebenenrente abgezogen. Der monatliche Bruttoverdienst, den ein überlebender Ehepartner aus Arbeitslohn erzielen kann, ohne dass die Hinterbliebenenrente gekürzt wird, beträgt 1.654,40 €.
Die Anrechnungsgrenze betrifft nicht nur Arbeitslohn, sondern – in unterschiedlicher prozentualer Höhe - nahezu alle Einkommensarten (z.B. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Zinseinkünfte, Krankengeld usw.). Ausnahmen sind bedarfsorientierte Leistungen sowie die Einnahmen aus Altersvorsorgeverträgen, soweit sie staatlich gefördert worden sind.
Beispiel
Eine Witwe verdient 2.500 € brutto
Abzug von 40 % „Pauschalwerten“ = 1.000 €
ergibt ein fiktives Nettoeinkommen i. H. v. 1.500 €
Das Nettoeinkommen übersteigt den Freibetrag somit um 507,36 € (1.500 € - 992,64 €).
Von dem übersteigenden Betrag werden 40 % berechnet (= 202,94 €). Die Hinterbliebenenrente wird um 202,94 € gekürzt.
Folge
Dies führt oft dazu, dass der überlebende Ehepartner seinen Arbeitsanteil entsprechend reduziert, um eine Kürzung der Hinterbliebenenrente zu vermeiden. Folglich erwirbt der überlebende Ehepartner weniger eigene Rentenpunkte. Bei Eintritt des überlebenden Ehepartners in die gesetzliche Altersrente wird die eigene Rente entsprechend niedriger ausfallen, was wiederum zu Altersarmut führen kann.
Folgen der Abschaffung der Hinzuverdienstgrenze
Die Abschaffung der Hinzuverdienstgrenze könnte positive Effekte für Deutschland und insbesondere für die rund 1,2 Millionen Empfänger*innen von Hinterbliebenenrenten haben. Wenn 85% dieser Empfänger*innen, die überwiegend Frauen sind, ihre Arbeitsstunden erhöhen würden, könnten folgende Vorteile realisiert werden:
- Linderung des Fachkräftemangels: Da noch immer viele der betroffenen Frauen in Pflegeberufen tätig sind, könnte der Fachkräftemangel in diesem Bereich verringert werden, wenn betroffene Frauen ihre Arbeitszeit erhöhen.
- Erhöhte Einnahmen für die Rentenkassen: Mehr arbeitende Hinterbliebene würden zu höheren Beiträgen in die Rentenkassen führen.
- Steuereinnahmen: Ein Anstieg der Beschäftigung würde auch zu einer Erhöhung der Steuereinnahmen führen.
- Höhere zukünftige Altersrenten: Die zusätzlichen Einzahlungen in die Rentenkassen würden die Rentenansprüche der Betroffenen erhöhen, wodurch das Risiko der Altersarmut verringert wird.
- Verbesserte Lebenssituation der Betroffenen durch eigene Erwerbstätigkeit: Die Möglichkeit, ohne Kürzung der Hinterbliebenenrente zu arbeiten, würde es den Betroffenen ermöglichen, die eigene Lebenssituation aus eigener Kraft zu verbessern. Dazu zählt auch, eventuelle Rücklagen aufbauen zu können, da aktuell für viele Hinterbliebene schon die laufenden monatlichen Kosten eine Herausforderung darstellen. Notwendige Mehrausgaben wie eine kaputte Waschmaschine führen in diesen Fällen zu enormen finanziellen Engpässen.
- Verbesserte Gesundheit der Betroffenen: Viele Hinterbliebene leiden unter psychischen Problemen oder Einsamkeit. Durch die Verbesserung der Einkommenssituation könnten diese negativen Effekte gemindert werden, was möglicherweise zu geringeren Ausgaben der Krankenkassen führen würde.
In der Diskussion wird oftmals auch die Erhöhung der Hinzuverdienstgrenze gefordert; dies würde zwar einen ersten Schritt in die richtige Richtung darstellen, dennoch bleibt es hinter den tatsächlichen Bedürfnissen der Bezieher*innen von Hinterbliebenenrenten zurück. Die bestehende Einkommensanrechnung schränkt die Erwerbsfähigkeit und -motivation der Betroffenen erheblich ein und führt dazu, dass es für viele Hinterbliebene nicht wirtschaftlich ist, stärker am Berufsleben teilzunehmen. Eine vollständige Abschaffung der Einkommensanrechnung ist daher wichtig, um ihnen echte Anreize zu bieten, ihre finanziellen Möglichkeiten ohne Angst vor Rentenkürzungen auszuschöpfen. Nur so können sie finanziell unabhängig sein und ein selbstbestimmtes Leben führen.